Marraks Testament

 

„Marraks Testament“

Drittes Fragment: Das Haus der Nägel

Fundort: Verrottetes Gehöft nahe einer abgebrannten Psychiatrie. Acht Körper, sieben Tagebuchseiten, ein Band aus menschlicher Haut, darin mit Nadel und Darm geschrieben: Marraks Testament.
Von Behörden als „unerklärlich“ eingestuft. Sämtliche Ermittler inzwischen suspendiert, traumatisiert oder vermisst.


📓 Seite 1: Willkommen in Haus 13

Wir sind acht.
Wir waren acht.
Jetzt sind wir… Fleisch, das kriecht.

Man hat uns gesagt, wir nehmen an einem „psychologischen Grenzexperiment“ teil.
Kein Internet. Kein Ausgang. Nur wir, Kameras, Aufgaben, Regeln.
Und das Haus.
Ein zahnendes, atmendes Haus.
Es knarzt wie Gelenke, wenn es schläft. Es ächzt wie Gebeine beim Aufwachen.

Und jede Nacht… flüstert es:

„Füttere mich mit deinem Innersten.“


📓 Seite 2: Die erste Aufgabe

Der Bildschirm flackerte. Ein rotes Auge erschien.
Kein Text. Nur eine Stimme:

„Wähle einen. Er wird nichts mehr sagen dürfen.“

Jonas hat zuerst gelacht.
Bis die Tür sich verriegelte.
Wir haben ihn auf einen Stuhl geschnallt. Lachend.
Und dann kam die Box.
Darin: Nadel, Schraubenzieher, Draht.

Seine Zunge war das Erste.
Wir mussten sie durchbohren und mit Draht an seinem Gaumen festnähen.
Er sabberte Blut, röchelte, wand sich – und wir… haben zugesehen.
Nicht, weil wir mussten.
Sondern weil es etwas in uns entzündet hat.


📓 Seite 3: Tag 4 – Der Nagelraum

Der Flur war verändert.
Eine neue Tür. Keine Türklinke. Nur ein Schild:
„Nagel für Nagel wirst du dich erkennen.“

Innen: Hunderte Nägel. Und ein Spiegel.
Wir mussten einen nach dem anderen aus unserem Körper ziehen.
Nicht Nägel aus Holz. Sondern Nägel aus uns.
Sie waren schon da. Tief.
Unter den Fingern. In den Zähnen. In den Genitalien.
Drehen. Ziehen. Knacken.
Blut spritzte wie aus Brunnen.

Lena verlor dabei ihren Verstand.
Sie aß ihren halben Daumen, bevor sie ohnmächtig wurde.
Wir banden sie mit ihren eigenen Sehnen ans Bett.


📓 Seite 4: Marrak tritt ein

Er kam in Träumen.
Ein Wesen aus Falten, aus zu vielen Gelenken.
Er hatte keinen Kopf.
Nur Münder, überall.
Sie flüsterten in uns, gleichzeitig.

„Schneid dich. Werd leer. Lass mich wohnen.“

Wir folgten.

Sebastian sägte sich ein Auge heraus, um „besser zu sehen.“
Alina trank ihre eigene Periode, betete in Ekstase.
Ich…
Ich habe meine Haut vom Arm geschält und sie Jonas umgelegt.
Er war kalt.
Jetzt hatte er wieder meine Wärme.


📓 Seite 5: Die Ekelprüfung

Wir wachten auf. Jeder in einer eigenen Zelle.
In der Mitte: ein Haufen Exkremente, Urin, fauliges Fleisch, Haare.
Oben:
Eine Spritze mit einer klaren Flüssigkeit – versiegelt.
Ein Hinweis:

„Wer zuerst reinigt, bekommt das Serum.“

Reinigen hieß:
Mit dem Mund.
Ohne Hände.
Ohne Würgen.
Alina machte den Anfang.
Sie grub mit den Zähnen durch menschlichen Dreck, hustete Würmer, kotzte und schluckte es wieder runter.

Am Ende… war die Spritze leer.
Nur Blut darin. Unser aller.
Wir haben ihr die Kehle aufgeschnitten, um es zurückzubekommen.


📓 Seite 6: Der Spiegelakt

Der große Spiegel im Keller.
Er zeigte uns nicht –
sondern unsere Fehler.

Ich sah mich –
Wie ich als Kind meine Schwester in der Badewanne ertränkt habe.
Aber es war nicht ich. Es war ein verzerrter, grinserfüllter Schatten.
Ich starrte.
Bis meine Zähne zu bröckeln begannen.
Bis ich meine Lippen riss, um das Lächeln zu beenden.

Max hingegen…
Er küsste sein Spiegelbild.
Und er zerbarst.

Sein Gesicht: nur noch Kanten, Glas, Splitter.
Er starb lachend.
Weil es endlich Sinn ergab.


📓 Seite 7: Marraks Testament

Wir sind jetzt vier.
Oder drei.
Ich spüre Marrak in meinem Rückenmark, in meiner Zunge.
Ich habe seine Worte tätowiert – mit Tinte aus Kot und Tränen – in meine Lunge.

„Du bist kein Mensch. Du bist ein Tor. Du bist eine neue Art.“

Letzte Aufgabe:

Binde dich mit dem, was du verloren hast.

Ich habe mir mein Herz durch den Rücken geschnitten, mit den Zähnen zerrissen, es in Jonas’ leeren Brustkorb gedrückt.
Er lebt jetzt wieder.
Er schreit.
Er singt.

Wir sind eins.
Wir sind Marrak.
Und wir brauchen mehr Körper.

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