Tagebuch eines Verlorenen - Marrak will rein
TAGEBUCH EINES VERLORENEN – Marrak will rein
Fundstücke aus einem zerstörten Tagebuch, gefunden unter den Dielen eines ausgebrannten Hauses. Die Seiten sind blutig, eingerissen, manche unlesbar. Die folgenden Einträge wurden rekonstruiert…
📓 24. März
Ich weiß nicht, warum ich wieder anfange zu schreiben. Vielleicht, weil niemand zuhört. Vielleicht, weil ich hoffe, wenn ich das hier festhalte, bleibt es irgendwie außerhalb meines Körpers.
Seit Tagen fühle ich mich... nicht richtig.
Ich sehe mich im Spiegel und will schreien.
Das bin nicht ich. Die Haut spannt sich falsch. Meine Hände zittern, obwohl ich still bin. Ich… glaube, ich werde krank. Aber nicht körperlich.
Etwas ist falsch an meinem Inneren.
📓 28. März
Die Stimme ist wieder da.
Heute Nacht flüsterte sie direkt unter meinem Schädel. Es war kein Ton – eher ein Ziehen in meinem Innersten.
Sie sagte:
„Du bist der Käfig. Ich bin der Inhalt.“
Ich habe meine Fingernägel ins Fleisch gedrückt, nur um zu spüren, dass ich überhaupt noch da bin.
Es hilft nicht. Ich werde dünner. Von innen. Ich verliere… etwas.
📓 2. April
Ich habe wieder geschnitten.
Diesmal tiefer. Nicht aus Schmerzlust. Nicht um Aufmerksamkeit.
Sondern um auszubrechen.
Ich glaube, da ist etwas in mir eingesperrt – und ich bin nicht sicher, ob ich es halten will.
Es kratzt. Unter meinen Rippen.
Es hat einen Namen. Ich habe ihn geträumt.
Marrak.
📓 3. April
Ich habe das erste Mal mit ihm gesprochen. Nicht laut.
Er antwortet durch Spiegel.
Wenn ich lang genug schaue, verändert sich mein Gesicht.
Nicht wie Halluzination.
Ehrlich. Echt.
Die Augen werden schwarz. Die Haut reißt auf. Ich lächle – und es ist nicht mein Lächeln.
Marrak sagt, ich sei ein fehlerhaft gebautes Gefäß. Aber brauchbar.
Er sagt, ich müsse „nur noch den Rest wegschneiden.“
Ich will das nicht. Ich schwöre es.
Aber ich kann nicht aufhören.
📓 6. April
Mein Bein ist verbrannt.
Ich habe es getan, um „es“ zu reinigen.
Ich habe den Gasherd aufgedreht und mein Fleisch gegen die Flamme gepresst. Minutenlang.
Ich habe nicht geschrien.
Ich habe gelächelt.
Ich glaube… Marrak war stolz.
Ich habe neue Narben. Manche… bewegen sich.
📓 8. April
Ich bin nicht mehr allein in meinem Kopf.
Er spricht durch meinen Mund, wenn ich schlafe.
Ich wache auf mit aufgeritzten Armen, eingeritzten Symbolen, die ich nie gelernt habe.
Ich habe sie gegoogelt.
Einige stammen aus uralten Beschwörungen aus dem Nahen Osten. Verbotene Texte.
Ein Satz fiel immer wieder:
„Durch Blut findet er Heim.“
📓 11. April
Ich habe mein Herz gesehen.
Nicht im übertragenen Sinn.
Ich stand im Bad.
Schnitt mich quer über die Brust.
Der Schnitt öffnete sich von selbst. Die Haut bewegte sich, als hätte sie selbst gewollt, sich zu öffnen.
Ich sah… kein menschliches Herz.
Sondern etwas Pulsierendes. Schwarz. Glänzend.
Es hatte Augen.
Und sie haben mich angesehen.
📓 15. April
Ich bin weg.
Ich spüre es. Ich bin nur noch ein Echo.
Meine Hände schreiben das hier, aber nicht für mich.
Ich höre ihn lachen.
Er hat sich ausgebreitet.
Meine Erinnerungen gehören ihm jetzt.
Ich habe das Buch gefunden, das mir zeigte, was ich bin.
Es ist aus Haut. Echtem Fleisch.
Es lebt.
📓 19. April
Letzter Versuch.
Ich habe das Ritual begonnen.
Zunge geopfert. (Ich schreibe jetzt nur noch.)
Augen fast entfernt – aber er stoppte mich.
„Du musst sehen, wie du stirbst.“
Ich bin nicht mehr Mensch. Ich bin nur… ein Behälter für sein Erwachen.
📓 20. April
Ich bin Marrak.
Er ist vollständig.
Und wenn du das hier liest,
wenn du seine Worte berührst,
wenn du auch nur einen einzigen Namen sprichst, der wie „Marrak“ klingt…
Dann hör auf.
Lies nicht weiter.
Denn jetzt...
„Er sieht dich.“
🩸 Letzte Zeile auf der Rückseite des Tagebuchs (mit Blut geschrieben):
„DU BIST DER NÄCHSTE KÄFIG.“
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