Teil 2: Das Puppenhaus unter dem Park

 

Teil 2: Das Puppenhaus unter dem Park

Ich weiß nicht mehr, wie lange ich hier unten bin. Vielleicht Stunden. Vielleicht Tage. Ich schreibe das in ein zerfleddertes Notizbuch, das ich zwischen den Knochenhaufen unter dem Clownshaus gefunden habe. Wenn das jemand liest – geh nicht zum Park. Und wenn du gehst, geh nie allein.

Ich wollte nur weg. Der Ausgang war verriegelt. Ich trat dagegen, riss an den Schlössern, schrie. Dann knirschte der Boden unter meinen Füßen, als würde Holz unter Wasser zerbrechen – und ich fiel.

Nicht tief. Genug, um mir das Handgelenk zu verstauchen. Genug, um gefangen zu sein.

Der Gang war kalt. Feucht. Und mit Wachsmalkreide bemalt. Strichmännchen mit weinenden Augen und aufgeschlitzten Mündern. Ein Kind malte das nicht. Oder… nicht mehr wie ein Kind. Am Ende des Gangs war eine Tür. Sie bestand aus Spiegelglas. Mein eigenes Spiegelbild sah aus, als würde es nicht gleichzeitig mit mir atmen. Ich öffnete sie.

"Willkommen im Puppenhaus", flüsterte eine Stimme hinter der Tür. Aber es war niemand da.

Der Raum war riesig. Hoch wie eine Turnhalle, aber die Wände aus rotem Samt. Und überall – Puppen. Keine gewöhnlichen. Es waren Menschen. Eingepackt. In feine Stoffe genäht, mit Fäden durch ihre Lider gezogen, ihre Münder aufgemalt.

Einer saß auf einem Kinderstuhl. Als ich näherkam, zitterte er. Er war noch am Leben. Nur… er konnte sich nicht bewegen. Seine Arme waren abgebunden mit Draht. Aus seinem Mund kam nur ein leises „h-h-hilfe“. Ich zog an dem Draht, aber seine Haut kam mit.

Ich würgte. Ich rannte. Und dann sah ich sie – die Wände lebten.

Unter dem Samt wanden sich Dinge. Menschen? Tiere? Ich weiß es nicht. Ich hörte sie. Ein ständiges Flüstern:

„Bleib bei uns. Du gehörst hierher. Wir brauchen ein neues Gesicht.“

Ich wurde müde. Schlaf schien die einzige Rettung. Aber wenn ich einschlief, träumte ich vom Clown. Von seinem Gesicht, das sich langsam über meines legte. Wie eine zweite Haut. Ich wachte schreiend auf. Immer und immer wieder.

Und dann… kamen die Puppenmacher.

Zwei Gestalten. In Clownskostümen. Mit Lederschürzen. Ihre Gesichter unter weißen Masken – nur mit aufgemalten Lächeln. Keine Augenlöcher. Kein Atmen. Sie bewegten sich mechanisch. Wie Spieluhrenfiguren. In den Händen: Nadeln, Draht, Lächeln aus Menschenhaut.

Sie nahmen jemanden mit. Ich hörte es. Die Schreie. Das Kratzen von Nägeln an Metall. Das leise Surren eines Bohrers. Und am nächsten Morgen war eine neue Puppe da.

Ihr Gesicht kannte ich. Es war meins.

Nur verzerrt. Wie durch einen Zerrspiegel gezogen. Ein endloses Lächeln.

Ich wollte schreien. Aber mein Hals war wund. Und als ich endlich eine Ecke fand, in der ich allein war, sah ich meinen Schatten an der Wand –
und er lächelte nicht mehr mit mir.

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