Die drei Hexen von Eisenholz - Teil 5
Die drei Hexen von Eisenholz – Teil 5: Der Fluch der Erinnerungen
6. November – 00:47 Uhr
Ich sitze in meinem kleinen Zimmer im Gasthaus, das einzige, was mir in diesem Dorf bleibt. Der Regen prasselt gegen die Fensterscheiben, doch draußen ist es still – zu still.
Seit meiner Rückkehr zum Jagdhaus spüre ich, wie Eisenholz mich nicht mehr loslässt. Mein Körper ist müde, doch mein Geist rast.
Manchmal sehe ich Schatten in den Ecken meines Blickfeldes. Ich drehe mich um – nichts.
Aber ich weiß, dass sie da sind.
6. November – 02:31 Uhr
Ich habe die alten Akten durchwühlt, die ich im Archiv fand.
Jede verschwundene Person hatte eines gemeinsam: ein zerfetztes Tagebuch oder Notizen mit verstörenden Zeichnungen, in denen Hexen, Spiegel und Gesichter ohne Augen oder Mund auftauchen.
Eine Seite fällt mir besonders ins Auge:
„Wer seine Vergangenheit nicht bewahrt, verliert sein Gesicht – und wird zur Maske.“
Ich beginne zu verstehen, was Elias in seinem Tagebuch meinte. Die Hexen wollen mehr als nur Körper. Sie wollen Identitäten.
6. November – 04:03 Uhr
Das Spiegelglas der Tür im Jagdhaus hat mich nicht losgelassen.
Ich musste zurück.
Dort, hinter der Tür, liegt nicht nur Dunkelheit.
Ich hörte Stimmen. Nicht singend, nicht flüsternd. Sondern fließend – wie ein Strom aus Worten, der mich umfing und meinen Verstand zerdrückte.
Dann sah ich sie.
Die drei Hexen.
Sie standen da, in einem Kreis aus alter Rinde und Blut, ihre Augen so schwarz wie die Nacht, ihre Hände glichen Wurzeln, die aus der Erde wuchsen.
Eine von ihnen streckte ihre Hand aus.
„Komm, Marlene. Werde Teil von Eisenholz.“
6. November – 05:12 Uhr
Ich bin zurückgekommen, um zu schreiben.
Ich weiß nicht, wie lange ich noch kämpfen kann.
Aber ich werde nicht zulassen, dass Eisenholz noch mehr Gesichter frisst.
Ich werde die Masken zerreißen, bevor ich selbst zu einer werde.
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