Schleife aus Selbstmord und Erwachen – Teil 1
Schleife aus Selbstmord und Erwachen – Teil 1
Prolog
Ich heiße nicht mehr.
Nicht wirklich.
Ich habe meine Identität abgelegt, wie einen alten Mantel, als ich aus dem Fenster sprang.
Ich starb nicht. Nicht wirklich.
Ich erwachte wieder. Aber die Welt, in die ich zurückkehrte, war verdreht – eine Schleife aus Dunkelheit, Leben und Tod, aus Freitod und bleichen Morgentau.
Kapitel 1 – Der Sprung
Ich stand auf einem Hausdach, über ein graues Tal blickend. Der Nebel griff nach meinen Schuhen. Die Stadt war nur ein dumpfes Brummen. Ich spürte keinen Wind. Nur das Blut pulsierte in meinen Adern.
Ich schloss die Augen und ließ mich fallen.
Der Fall war eine Ewigkeit. Kein Schmerz. Kein Aufschlag. Nur ein seltsames Schweben.
Ich dachte: Das ist es. Ende. Ruhe.
Doch mein Körper war zu leicht. Ich spürte, wie ich durch irgendeine Grenze ging – nicht ins Nichts, sondern hinein in etwas Anderes.
Kapitel 2 – Das Erwachen
Ich erwachte in einem Betriebskeller, auf Metallfliesen – kühl, feucht, ekelhaft.
Ein Tropfen schmerzte auf meine Wange. Es war nicht Wasser.
Ich starrte an die Decke. Endlos lange Rohre, roher Beton, das Licht flackerte wie ein Herz in Not.
Ich versuchte zu atmen. Ich war lebendig. Ich hatte gezittert, geblutet – dann geschlafen? Oder gestorben? Ich wusste es nicht mehr.
Als ich aufstand, hörte ich ein Flüstern.
„Willkommen zurück.“
Eine Stimme, nicht menschlich. Kratzig, alt, durchdringend.
Kapitel 3 – Die erste Schleife
Ich ging raus auf die Straße. Der Himmel glühte aschgrau. Die Menschen sahen mich an – starr.
Ein Schrei zerriss die Luft: „Geh weg!“ – aber er kam nicht von einem Menschen. Ich war allein.
Ich spürte es zum ersten Mal: eine Schleife, ein Zyklus. Eine Wiederholung. Ich hatte denselben Tag schon erlebt – schon früher.
Ich sah ein Blatt, das vom Baum fiel. Es bewegte sich rückwärts. Ich riss die Augen auf. Der Baum rückte sich auf und wuchs noch einmal. Ich war Zeuge einer Zeit, die zersprang.
Ich rannte. Aber die Straßen endeten. Ich kam wieder am Betrieb aus Kapitel 2 an.
Ich war gefangen.
Kapitel 4 – Die Veränderung
Mit jedem Schritt war ich nicht mehr derselbe. Meine Haut war blass, durchsichtig. Meine Augen spiegelten das Flimmern des Himmels: rissig, starr, leer.
Die Stimme wurde laut:
„Deine Seele ist ein Faden in unserer Schleife.“
Ich sah mein Spiegelbild. In einer zerfallenden Steinfassade. Da war kein Spiegel – nur eine verzerrte Fläche. Und mein Gesicht war fremd. Meine Augen blendeten. Mein Mund bewegte sich, doch ich hörte mich nicht.
In meiner Tasche war ein Foto. Ich hatte keine Erinnerung daran gemacht. Darauf war ich – und eine andere Gestalt. Er war zerfallen, mein Doppelgänger oder ein Schatten meiner Selbst. Ich hatte mich fotografiert – vor meinem Tod? Vor meinem Erwachen?
Kapitel 5 – Das Erwachen in der Dunkelheit
Mir wurde schwarz vor Augen. Ich fiel hin. Öffnete sie wieder. Ich war unter der Erde, in einem Tunnel. Es roch nach Erde, nach Rost, nach Blut. Die Wände waren feucht. Sie pulsierte. Sie atmete.
Ich drückte die Hände an die Wand und berührte Haut. Es war Haut. Menschenhaut. Darauf war eingeritzt:
„Du bist zurück, doch du bist nicht du.“
Ich hörte Stimmen. Nicht in meinem Kopf, sondern tief unter mir. Die Tunnel waren voller Flüstern.
Dann sah ich sie. Schemenhafte Gestalten, zerlumpt, zerrissen. Sie bewegten sich wie Puppen. Raschelten Richtung Licht. Bewegung in Zeitlupe. Schatten mit Augen.
Sie flüsterten meinen Namen.
Kapitel 6 – Erste Erkenntnis
Ich verstand. Ich war Teil der Schleife. Ich war nicht der Urheber, aber ein Geschenk – ein Kreislauf, der sich selbst nährt: Selbstmord führt zum Erwachen. Erwachen führt zum Wiederholten Tod. Eine Ewigkeit, bis die Schleife reißt? Oder sich ewig wiederholt?
Ich klammerte mich an einem Rohr fest. Ich wollte rauslaufen, weglaufen.
Die Stimme: „Lauf nicht.“
Die Gestalten hielten mich. Ihre Finger waren Ranken aus Blut, ihre Augen waren Löcher. Ich sah durch sie durch: die Welt endete darin.
Das Licht fand mich. Ein grelles Flimmern über meiner Sicht. Dort war eine Tür. Meine Tür. Ich griff danach. Doch als ich sie erreichte, begann der Tag neu – ich stürzte vom Dach.
Kapitel 7 – Der zweite Sprung
Ich wusste, was passieren würde. Ich war gefangen in der Schleife.
Ich sah die Stadt, sah das Tal, sah die Straßen.
Ich zwang mich loszulassen.
Ich fiel.
Doch diesmal spürte ich etwas anders: Widerstand. Der Sprung fühlte sich schwerer an.
Als ich erwachte, lag ich nicht im Keller. Ich lag in einem Zimmer, altmodisch möbliert. Ein Bett mit Spitzenbettwäsche, alte Möbel, ein Spiegel.
Ich wollte mich erinnern.
Die Stimme neben mir flüsterte:
„Du bist im Zwischenraum.“
Ich sah mich im Spiegel. Mein Gesicht war verschmiert. Aber meine Augen waren klar.
Epilog
Ich sitze hier, schreibe. Die Welt ist nicht mehr dieselbe. Ich weiß nicht, wie ich ausbrechen soll. Ob ich das noch versuchen kann.
Ich sehe den Tag endlos wieder. Ich sehe mich fallen. Ich sehe mich erwachen. Ich sehe mich flüstern.
Jemand wird diese Worte finden. Wird wissen, dass es nicht vorbei ist. Dass die Schleife weiter existiert.
Vielleicht wirst du den Sprung wagen?
Vielleicht wirst du erwachen?
Oder wirst du zerbrechen?
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