Tagebuch des Ermittlers - Der Schwärzeritus
📖 TAGEBUCH DES ERMITTLERS – DER SCHWÄRZERITUS
Gefunden unter einem Altar aus Zähnen. Autor unbekannt. Der Rest der Einheit: vermisst oder tot.
Tag 1
Fallnummer: 973–OC
Ort: Westlicher Forst, Nähe der alten Sanatoriumsruine
Fundstück: Verbranntes Buch mit menschlichen Haaren im Umschlag
Ein Bunker. Eingestürzt. Unterirdisch. Ziegelwände, mit Blut „bemalt“. Die ersten Worte, die wir fanden, waren in das Fleisch eines Toten geritzt:
„DU LIEST DICH SELBST AUF.“
Was auch immer das bedeuten soll – ich habe den Fall übernommen. Alle anderen wollten sich rausreden. Zwei Mann kündigten nach Sichtung der ersten Fotos.
Ich nicht. Ich will wissen, was hier geschah.
Tag 3
Der Pathologe rief mich um 03:12 Uhr an. Panisch.
„Das ist kein Schnitt, das ist Kalligraphie“, sagte er. „Der tote Körper – jeder Muskel, jeder Nerv, jede Vene wurde geordnet, als hätte jemand ein Kunstwerk aus Schmerz geschaffen.“
Ich habe mir die Leiche selbst angesehen.
Der Brustkorb war geöffnet, die Rippen zu einem Käfig geflochten.
In der Mitte: ein Herz – noch warm.
Es schlug.
Ich habe es gesehen.
Es hat mich angesehen.
Tag 5
Ich habe das Buch übersetzt. Oder versucht.
Latein, vermischt mit aramäischem Fluch-Sanskrit und einer Sprache, die aussieht wie zerbrochene Knochenfragmente.
Aber ich erkannte ein Muster:
Alle 13 Tage findet ein „Schwärzeritus“ statt – ein Opfer, das die „Grenze zum Blickenden Jenseits“ durchbricht.
Der Schwarzdorn-Kreis nennt es „Die Augenöffnung“.
Und laut Aufzeichnungen wurde das nächste Ritual in 8 Tagen angesetzt.
Ort: unklar.
Name des Opfers: leer gelassen.
Nur eine Notiz: „DER, DER SIEHT.“
Ich habe Angst, das war auf mich bezogen.
Tag 6
Ich kann nicht schlafen.
Ich höre das Herz klopfen. Es ist nicht mehr im Labor. Es ist in meinem Schrank.
Ich habe es nicht dorthin gelegt.
Ich will glauben, ich träume. Aber meine Uhr zeigt 04:44, und der Sekundenzeiger geht rückwärts. Ich habe ihn überprüft. Batterie voll. Kein Defekt. Trotzdem: zurück.
Wie das Herz.
Ich habe es gewogen.
Am Morgen war es schwerer geworden.
Ich glaube, es wächst.
Tag 9
Ich habe es getan. Ich habe mich selbst verletzt.
Nur ein Schnitt.
Nur um zu sehen, was darunter ist.
Die Haut war… weich. Zu weich.
Wie Schweinsleder, aber lebendig.
Als ich den Schnitt öffnete, war da kein Blut. Nur…
…Augen.
Ich weiß, wie das klingt.
Ich habe geschrien. Ich habe gelacht. Ich habe das Badezimmer ausgebrannt.
Doch das Lachen… das kam nicht nur von mir.
Tag 12
Ich habe den Ritualort gefunden.
Ein Keller unter der Kapelle auf dem Hügel.
Eingestürzt. Voll mit Knochensplittern. Wand an Wand bedeckt mit Symbolen, eingeritzt mit Fingernägeln. Überall Haare. Kein Staub. Kein Verfall. Als hätte man hier gestern gefoltert.
Und in der Mitte: ein Spiegel.
Rahmen aus Zahnfleisch und Gold.
Ich habe hineingeschaut.
Ich sah mich.
Aber mein Spiegelbild sah mich nicht an.
Es schrieb.
Ich stand da – aber das Bild schrieb.
Mit meinem Gesicht.
Mit meinem Blut.
Und es schrieb:
„Willkommen, Jäger.
Du warst schon immer einer von uns.
Wir haben nur gewartet, bis du dich erinnerst.“
Tag 13 – Der Schwärzeritus
Ich weiß jetzt, was ich bin.
Ich bin kein Ermittler.
Ich bin der nächste Körper.
Ich bin das Gefäß.
Ich bin der, der sieht.
Sie sitzen um mich.
Die anderen. Die ohne Haut. Die mit zugenähten Lidern. Sie beten durch ihre Zungen, die an ihren Rippen hängen wie nasse Lappen.
Und ich verstehe sie.
Sie sagen, ich sei fast fertig.
Ich müsse nur noch mein Gesicht ablegen, so wie die anderen es taten.
Ich habe eine Zange.
Und einen Spiegel.
Und ein Ziel.
Tag ? – Letzter Eintrag
Du hast es gelesen.
Jetzt hörst du sie auch.
Es ist zu spät.
Du weißt zu viel.
Sie kommen.
Wenn du leben willst: Sieh dich nicht im Spiegel an.
Nimm stattdessen einen Nagel.
Und schreibe deinen Namen auf deine Knochen.
Nur so vergessen sie dich.
Wenn du es nicht tust –
Dann werden sie dich sehen.
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